
In der Stiftungslandschaft begegnet man häufig Konstellationen, in denen zwei oder mehr Stiftungen denselben oder sehr ähnlichen Zweck verfolgen, jedoch parallel arbeiten und dabei Ressourcen, Wirkung und Personal fragmentieren. Gerade bei langfristiger Unterfinanzierung, abnehmender Aktivität oder doppelten Verwaltungsstrukturen stellt sich die Frage: Kann man Stiftungen nicht zusammenführen, um Synergien zu schaffen und den Stifterwillen effizienter umzusetzen? Mit der Stiftungsrechtsreform 2023 und den neuen §§ 86 ff. BGB ist diese Möglichkeit bundesrechtlich klar geregelt. Die Zusammenlegung oder Zulegung von Stiftungen wird damit zu einer echten strategischen Option – rechtlich anspruchsvoll, aber gestaltbar.
Begriffe und Grundformen: Was ist eine Zulegung? Was eine Zusammenlegung?
Bei der Zulegung wird eine Stiftung in eine bereits bestehende Stiftung eingegliedert. Die übertragende Stiftung wird aufgelöst, ihr Vermögen geht vollständig auf die aufnehmende Stiftung über. Diese behält ihre Rechtspersönlichkeit und ihre Organisationsstruktur bei. Der große Vorteil: Man muss keine neue Stiftung errichten, sondern baut die bestehende aus.
Die Zusammenlegung hingegen bezeichnet die Fusion zweier oder mehrerer Stiftungen zu einer gänzlich neuenStiftung. Alle beteiligten Stiftungen geben ihre Selbstständigkeit auf; es entsteht eine neue, einheitliche Stiftung, auf die das Vermögen als Gesamtheit übergeht. In beiden Fällen liegt eine sogenannte Universalsukzession vor – d. h. es wird nicht einzeln übertragen oder liquidiert, sondern das Vermögen geht vollständig über, inklusive laufender Verträge, Rechte und Pflichten.
Voraussetzungen für eine Zusammenlegung nach §§ 86 ff. BGB
Voraussetzung Nummer eins ist die Zweckkompatibilität. Das heißt: Die beteiligten Stiftungen müssen vergleichbare oder miteinander vereinbare Zwecke verfolgen. Eine Stiftung, die der Forschung dient, kann nicht ohne Weiteres mit einer Stiftung zur Förderung des Sports verschmolzen werden – es sei denn, der Zweck wird zuvor angepasst, was über § 85 BGB (Zweckänderung) möglich ist.
Zweitens ist der Stifterwille zu beachten. Wenn sich aus Satzung oder Gründungsdokumenten ergibt, dass eine Fusion ausdrücklich ausgeschlossen ist, ist die Zusammenlegung unzulässig. Umgekehrt kann der Stifter im Stiftungsgeschäft oder der Satzung explizit eine spätere Zusammenführung erlauben. Fehlt eine Regelung, ist im Zweifel der Wille im Sinne der Zweckverwirklichung auszulegen.
Drittens braucht es wirksame Beschlüsse der zuständigen Organe aller beteiligten Stiftungen – meist Vorstand oder Kuratorium. Diese Beschlüsse müssen den Anforderungen der Satzung und des BGB genügen.
Und viertens: Jede Zusammenlegung oder Zulegung muss durch die Stiftungsaufsichtsbehörde genehmigt werden. Ohne diese behördliche Zustimmung ist der Zusammenschluss unwirksam.
Verfahren und Ablauf
Der Weg zur rechtsgültigen Zusammenlegung beginnt mit einem sorgfältig entwickelten Fusionskonzept: Welche Stiftung wird übertragend, welche aufnehmend? Wie unterscheiden sich die Satzungen, die Begünstigten, die Verwaltungsstruktur? Welche Ziele und Auflagen bestehen?
Im zweiten Schritt fassen die Organe beider Stiftungen die erforderlichen Beschlüsse, die oft mit Protokollierungspflichten, Fristen oder Zustimmungsanforderungen verbunden sind. Gegebenenfalls ist eine notarielle Beurkundung erforderlich, vor allem bei Immobilienübertragungen.
Drittens wird der gesamte Vorgang bei der Stiftungsaufsicht eingereicht. Diese prüft Rechtmäßigkeit, Gemeinnützigkeit, Zweckbindung, Vermögensübertrag und Interessen der Destinatäre.
Nach Genehmigung erfolgt die formale Auflösung der übertragenden Stiftung und die Anpassung bzw. Neugründung der übernehmenden oder neuen Stiftung. Parallel sind Vertragspartner, Förderinstitutionen, Registerstellen und – falls gemeinnützig – das Finanzamt zu informieren.
Vorteile einer Zusammenlegung gegenüber Auflösung
Die Zusammenlegung hat gegenüber der Auflösung eine Vielzahl an Vorteilen:
- Zweckkontinuität: Statt den Stifterwillen zu beenden, wird er in einer anderen Stiftung fortgesetzt.
- Vermögensschutz: Es kommt nicht zu einer Auflösung mit Fiskuserwerb bei fehlender Anfallregelung.
- Kostenersparnis: Keine Liquidationskosten, keine Verkaufsverluste bei Vermögensverwertung.
- Synergien: Gemeinsame Verwaltung, abgestimmte Projektförderung, stärkere Außenwirkung.
- Governance-Stärkung: Durch Fusion kann eine professionellere Struktur etabliert werden, z. B. ein gemeinsamer Beirat oder eine spezialisierte Geschäftsführung.
Herausforderungen und Risiken
Die häufigsten Stolpersteine liegen im Detail: Wenn Satzungen inkompatibel sind oder sich die Zwecke widersprechen, kann es zu langwierigen Abstimmungs- und Änderungsverfahren kommen. Auch Machtfragen innerhalb der Gremien (wer sitzt künftig im Vorstand? Wer gibt auf?) blockieren oft gut gemeinte Fusionsvorhaben. Schließlich kann der Eindruck entstehen, eine Stiftung werde “geschluckt” – das führt zu emotionalem Widerstand.
Gemeinnützige Stiftungen müssen zudem erhöhte Transparenzpflichten erfüllen: Der Nachweis zweckentsprechender Mittelverwendung muss weiterhin erbracht werden, Spendenbescheinigungen müssen korrekt zugeordnet sein, und das Vertrauen der Zuwender darf nicht unter der Fusion leiden.
Steuerrechtliche Aspekte bei gemeinnützigen Stiftungen
Im Idealfall bleiben alle steuerlichen Privilegien erhalten – insbesondere wenn alle beteiligten Stiftungen steuerbegünstigt sind. Dann fällt keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer an.
Doch Vorsicht: Bei der Übertragung von Immobilien innerhalb einer Fusion kann Grunderwerbsteuer anfallen, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht erfüllt sind. Eine frühzeitige Prüfung und ggf. Abstimmung mit dem Finanzamt ist deshalb unerlässlich.
Auch im Hinblick auf Spendenrecht ist zu beachten: Nur die aufnehmende oder neugegründete Stiftung darf nach der Zusammenlegung Spendenquittungen ausstellen. Bereits erteilte Zuwendungsbescheinigungen der übertragenden Stiftung bleiben aber grundsätzlich gültig, sofern der Zweck weiterverfolgt wird.
Bei operativ tätigen Stiftungen kann zudem die umsatzsteuerliche Organschaft betroffen sein. Neue Verhältnisse können zum Verlust oder zur Neuordnung dieser Struktur führen.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Zusammenlegungen sollten strategisch geplant werden. Wichtig ist eine klare Zieldefinition: Geht es um Effizienz? Kontinuität? Entlastung? Je nach Ausgangslage sind unterschiedliche rechtliche und steuerliche Prüfungen erforderlich.
Auch die Kommunikation sollte von Anfang an mitgedacht werden. Betroffene Gremien, Förderer und Mitarbeitende sollten eingebunden, Bedenken gehört und Integration aktiv begleitet werden. Transparente Darstellung der Vorteile und Sicherstellung, dass alle Beteiligten ihre Rolle in der neuen Struktur finden, ist entscheidend.
Rechtlich ist zu empfehlen, frühzeitig mit Stiftungsaufsicht, Steuerberatern, Notaren und ggf. dem Finanzamt in den Dialog zu treten. So lassen sich Fehler vermeiden und Genehmigungen beschleunigen.
FAQs zur Zusammenlegung von Stiftungen
Was ist der Unterschied zwischen Zulegung und Fusion?
Zulegung = eine Stiftung wird in eine andere eingegliedert; Fusion = zwei oder mehr Stiftungen gehen in eine neue Stiftung auf.
Kann jede Stiftung zusammengelegt werden?
Nur, wenn die Satzungen dies erlauben oder durch Zweckänderung gem. § 85 BGB angepasst werden. Der ursprüngliche Stifterwille ist immer zu berücksichtigen.
Entsteht bei der Fusion eine neue Stiftung?
Ja. Bei der Zulegung bleibt die aufnehmende Stiftung bestehen, bei der Fusion wird eine neue Stiftung gegründet.
Was passiert mit Förderprojekten und Spenden?
Sie werden übernommen, sofern sie zum Zweck passen. Die neue Stiftung tritt in alle Rechtsverhältnisse ein. Spendenbescheinigungen bleiben wirksam, neue dürfen nur von der aufnehmenden oder neuen Stiftung ausgestellt werden.
Welche steuerlichen Risiken bestehen?
Grunderwerbsteuer bei Immobilien, Missachtung von Mittelverwendungsauflagen, Verlust von Gemeinnützigkeit. Eine steuerliche Vorabprüfung ist dringend anzuraten.
Soft Call-to-Action
Zwei Stiftungen, ein Zweck – warum doppelt verwalten? Wenn eine Zusammenlegung rechtlich, steuerlich und strategisch sinnvoll ist, begleiten wir Sie sicher durch Konzept, Genehmigung und Umsetzung.
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