Nachträge und Änderungsvereinbarungen – Das Einfallstor für Formverstöße
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Formverstöße bei Nachträgen und Zusatzvereinbarungen
Nachträge zu langfristigen Mietverträgen sind häufig Ursache gravierender Schriftformmängel. Nach § 550 BGB müssen alle wesentlichen Vertragsbestandteile – Mietgegenstand, Mietzins, Laufzeit und Parteien – in einer einheitlichen Urkunde enthalten sein. Wird ein Nachtrag nur mündlich vereinbart, per E-Mail bestätigt oder ohne eindeutige Verbindung zum Hauptvertrag erstellt, ist die Schriftform verletzt.
Ein solcher Verstoß macht den gesamten Vertrag ordentlich kündbar. Das Brandenburgische OLG (3 U 67/20) stellte klar, dass bereits eine unzureichende Bezugnahme auf den Ursprungsvertrag genügt, um ein vormals befristetes Mietverhältnis in ein unbefristetes umzuwandeln.
Bezugnahme auf den Hauptvertrag
Jeder Nachtrag muss eindeutig erkennen lassen, auf welchen Vertrag er sich bezieht. Formulierungen wie „Ergänzung zum Mietvertrag“ ohne Datum, Vertragsnummer oder genaue Bezeichnung reichen nicht.
Fehlt diese Verknüpfung, verliert der Nachtrag seine Wirksamkeit – und gefährdet die gesamte Vertragsarchitektur. Der BGH (LwZR 4/93) und das OLG Frankfurt (12 U 86/21) fordern, dass der Zusammenhang bereits aus der Urkunde selbst hervorgeht, ohne dass externe Dokumente herangezogen werden müssen.
Doppelte Schriftformklauseln und ihre Tücken
Viele Gewerbemietverträge enthalten „doppelte Schriftformklauseln“, wonach Änderungen „nur schriftlich“ wirksam sind. Diese Klauseln suggerieren Sicherheit, entfalten aber oft keine Wirkung.
Nach der Rechtsprechung (OLG Karlsruhe 8 U 57/05) sind solche Klauseln unwirksam, wenn sie den Eindruck erwecken, dass mündliche Abreden grundsätzlich ausgeschlossen seien. Das dispositive Gesetzesrecht (§ 305 b BGB) geht vor – eine spätere mündliche Vereinbarung kann die Schriftformklausel faktisch aushebeln.

E-Mail-Bestätigungen und mündliche Vereinbarungen
Die Praxis zeigt: Viele Vertragsänderungen werden per E-Mail abgestimmt – „wir erhöhen die Miete ab nächstem Quartal“, „neuer Stellplatz wird ergänzt“. Solche Abreden genügen nicht der Schriftform, selbst wenn sie beiderseits bestätigt werden.
Auch eine nachträgliche E-Mail-Bestätigung heilt den Mangel nicht automatisch. Nur eine beidseitig unterschriebene Urkunde, die den vollständigen Änderungsinhalt enthält und eindeutig dem Hauptvertrag zugeordnet ist, wahrt § 550 BGB.
Das KG Berlin (8 U 54/15) betonte, dass auch Schriftformheilungsklauseln keine absolute Sicherheit bieten – sie verhindern den Formverstoß nicht, sondern verschieben nur die Diskussion auf die Ebene des Treu-und-Glauben-Einwands (§ 242 BGB).
Heilung und nachträgliche Bestätigung
Eine „Heilung“ durch spätere Unterzeichnung kann zwar erfolgen, setzt aber voraus, dass der ursprüngliche Inhalt vollständig schriftlich fixiert wird. Das OLG Rostock (3 U 108/07) entschied, dass bloße Nachholungsklauseln ohne konkrete Unterzeichnung keine Wirksamkeit entfalten.
Deshalb ist es zwingend, jede Vertragsänderung zeitgleich schriftlich zu dokumentieren – nicht erst im Nachhinein.
Praktische Konsequenzen und Empfehlungen
- Vertragsprüfung: Alle Nachträge und Ergänzungen sollten regelmäßig auf Formkonformität geprüft werden.
- Klare Bezugnahmen: Jeder Nachtrag muss Datum, Vertragsnummer und Parteien enthalten.
- Keine E-Mail-Abreden: Änderungen ausschließlich in unterzeichneter Schriftform vereinbaren.
- Versionskontrolle: Alle Nachträge nummerieren („Nachtrag 1“, „Nachtrag 2“) und in der Vertragsakte archivieren.
- Risikomanagement: Bei Altverträgen prüfen, ob frühere Nachträge überhaupt schriftformkonform sind – oft liegt hier das versteckte Kündigungsrisiko.
Strategische Nutzung in der Mandatsarbeit
Für Mieter bieten Schriftformmängel bei Nachträgen die Möglichkeit, sich aus belastenden Langzeitverträgen zu lösen.
Für Vermieter gilt: Nur präzise Nachtragsgestaltung schützt vor ungewollter Kündbarkeit und sichert Planbarkeit der Mieteinnahmen.
Kanzleien sollten Mandanten auf dieses Risiko aktiv hinweisen – gerade bei Portfolio-Prüfungen, Due-Diligence-Audits oder Neuverhandlungen von Mietverträgen.

Fazit
Nachträge und Zusatzvereinbarungen sind die Achillesferse der Schriftform.
Schon eine unklare Bezugnahme oder eine E-Mail-Bestätigung ohne Unterschrift genügt, um § 550 BGB zu verletzen. Wer Vertragsänderungen professionell dokumentiert, verhindert Formnichtigkeit und wirtschaftliche Instabilität – und sichert langfristige Mandatswerte.
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Fazit & Kontakt
Die Schriftform ist mehr als Formalie – sie ist ein juristisches Werkzeug.
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