KI Musikrecht Praxis

KI Musikrecht Praxis ist kein abstraktes Zukunftsthema mehr – sie hat reale Konsequenzen für Künstler, Produzenten und Rechteverwerter. Wenn eine künstliche Intelligenz die Stimme eines Sängers nachahmt, ganze Alben generiert oder stilistisch perfekt imitiert, stehen nicht nur Fragen nach Urheber- oder Leistungsschutzrechten im Raum. Auch steuerrechtlich geraten die Beteiligten in ein risikobehaftetes Terrain – bis hin zu § 370 AO.
Dieser Beitrag beleuchtet die vertragsrechtlichen, urheberrechtlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen beim Einsatz von KI in der Musikproduktion – wissenschaftlich fundiert, mit klaren Fundstellen und konkreten Handlungsempfehlungen.
1. Was ist KI-generierte Musik wirklich?
Die Frage, was KI-generierte Musik eigentlich ist, ist nicht nur technischer, sondern zunehmend auch rechtlicher Natur. Unter der KI Musikrecht Praxis versteht man heute alle Fälle, in denen künstliche Intelligenz Gesang, Komposition, Text oder Stilmittel erzeugt, die üblicherweise menschlicher Kreativität zugeordnet sind.
Typische Beispiele:
- eine KI generiert ein Lied im Stil von Billie Eilish,
- sie reproduziert Timbre und Dynamik eines bekannten Tenors,
- oder sie komponiert einen Track mit der Stimme eines bereits verstorbenen Künstlers.
a. Juristische Einordnung
KI-Output ist in Deutschland nur dann als “Werk” urheberrzechtlich geschützt, wenn er auf einer persönlichen geistigen Schöpfung eines Menschen beruht (§ 2 Abs. 2 UrhG).
Wird ein Track hingegen vollständig von einer KI erzeugt, besteht Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, dass daran kein Urheberrecht entsteht (vgl. Lutzhöft/Hendel, GRUR 2024, 1841–1852).
b. Leistungsschutz für Stimmen
Auch wenn das Werk nicht geschützt ist, kann die Interpretation durch einen Menschen, etwa durch eine reale Stimme im KI-Trainingsmaterial, leistungsschutzrechtlich relevant sein (§ 73 UrhG).
Das bedeutet: Selbst wenn der KI-Track gemeinfrei ist, kann seine Verbreitung rechtswidrig sein, wenn eine echte Künstlerstimme verwendet wurde – auch synthetisch nachgebildet.
c. Relevanz für die Praxis
- KI-generierte Musik ist nicht automatisch frei verwendbar.
- Wer echte Stimmen nutzt, kann Leistungsschutzrechte verletzen.
- Die Stimme als Ausdruck der Persönlichkeit ist zusätzlich durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt.
2. Verträge, Exklusivität und künstliche Stimmen
Die zunehmende Verwendung synthetischer Stimmen in der Musikproduktion stellt klassische Künstlerverträge vor unerwartete Herausforderungen. Viele Exklusivverträge regeln explizit die Nutzung der echten Stimme, der physischen Präsenz oder der Mitwirkung an Tonaufnahmen – aber eben nicht deren digitale Nachbildung oder KI-generierte Fortsetzung. In der KI Musikrecht Praxis entstehen dadurch vertragliche Grauzonen mit erheblichen Risiken für Künstler, Labels und Produzenten.
a. Typisches Vertragsproblem: Was ist „die Stimme“?
Ein Exklusivvertrag bindet häufig die persönliche Mitwirkung des Künstlers. Wird jedoch eine KI mit Stimmmaterial trainiert oder imitiert die KI-Stimme bestimmte stilistische Merkmale, stellt sich die Frage: Ist das noch vom Vertrag erfasst?
In der Praxis kann dies zu folgenden Konstellationen führen:
- Ein Label veröffentlicht KI-generierte Songs mit der Stimme eines Künstlers, dessen Vertrag bereits ausgelaufen ist.
- Eine Werbekampagne nutzt eine künstlich generierte Version einer exklusiv gebundenen Stimme – ohne tatsächliche Mitwirkung des Künstlers.
- Ein Dritter produziert Inhalte im „Stil“ eines Künstlers, der vertraglich gebunden ist – ohne dessen Wissen.
b. Rechtslage: Exklusivität endet nicht an der Physis
Rechtlich problematisch ist die Annahme, dass die Exklusivität nur für „echte“ Produktionen gilt. Der Bundesgerichtshof betont regelmäßig, dass die wirtschaftliche Verwertung von Leistungsschutzrechten auch mittelbar betroffen sein kann – insbesondere, wenn eine Nachbildung zur Verwechslung führt oder wirtschaftlich substitutiv wirkt (vgl. zu § 73 UrhG und Persönlichkeitsrecht bei Stimmverwendung auch Lutzhöft/Hendel, GRUR 2024, 1841–1852).
Vertraglich nicht geregelte KI-Nutzungen können daher als unzulässige Umgehung der vertraglichen Exklusivität gewertet werden – oder als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
c. Empfehlung
- Künstlerverträge sollten ausdrücklich regeln, ob und wie KI-Trainingsdaten, Stil- und Stimmanalysen verwendet werden dürfen.
- Labels sollten sicherstellen, dass Lizenzvereinbarungen auch synthetische Reproduktionen und derivative Werke abdecken.
- Verträge benötigen eine „digitale Verwertungsklausel“ für KI-basierte Stimme, Stil, Timbre und Ausdrucksformen.
3. Urheberrecht, Leistungsschutz und das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Wenn KI Musik erzeugt oder Stimmen imitiert, steht schnell die Frage im Raum: Wer ist Urheber – oder gibt es überhaupt einen? Im Zentrum der rechtlichen Beurteilung steht § 2 Abs. 2 UrhG: Danach ist ein Werk nur dann schutzfähig, wenn es Ergebnis einer persönlichen geistigen Schöpfung ist. Genau daran fehlt es bei vollständig KI-generierten Musikstücken. Das bedeutet: Der KI-Output selbst ist urheberrechtlich nicht geschützt.
a. KI Musikrecht Praxis und die Schutzlücken des Urheberrechts
Laut ständiger Meinung in Literatur und Rechtsprechung entsteht bei KI-Output kein originäres Urheberrecht, da der menschliche Schöpfungsbezug fehlt (vgl. Stechern, IPRB 2020, 23–26; Ammann, CR 2020, 295–303). Auch der Versuch, ein Bearbeitungsrecht oder Miturheberschaft (§§ 3, 8 UrhG) zu konstruieren, scheitert regelmäßig daran, dass die KI selbst kein Zuordnungssubjekt im urheberrechtlichen Sinne ist.
b. Leistungsschutz: Schutz trotz Schutzlosigkeit?
Anders verhält es sich mit Leistungsschutzrechten. Wenn echte menschliche Stimmen verwendet werden – etwa durch Sampling, Training oder Nachbildung –, greift insbesondere § 73 UrhG. Dieser schützt die individuelle Darbietung, unabhängig davon, ob das Werk selbst geschützt ist. Werden also KI-Modelle mit realen Gesangsaufnahmen trainiert oder wird die Stimme synthetisch „wiederbelebt“, entstehen Leistungsschutzrechte des ursprünglichen Interpreten.
Hinzu kommen mögliche Rechte nach § 85 UrhG für Tonträgerhersteller – z. B. bei KI-generierter Musik, die professionell vertrieben wird.
c. Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR) und kommerzielle Stimmverwendung
Die Verwendung einer bekannten Stimme – auch nur stilistisch oder synthetisch – kann als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewertet werden. Der Bundesgerichtshof betont, dass die Stimme ein wesentlicher Ausdruck der Persönlichkeit ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 01.12.1999 – VI ZR 223/98 – „Marlene-Dietrich-Stimme“).
Kommerzielle Nachbildungen ohne Zustimmung können daher zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen – auch wenn kein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt.
d. Praxisfolgen
- KI-Output ist häufig urheberrechtlich schutzlos – aber nicht frei von Ansprüchen Dritter.
- Stimmimitationen sind rechtlich besonders heikel: APR und Leistungsschutzrechte greifen oft parallel.
- Verwerter müssen klare Rechteketten schaffen – auch bei KI-Produktionen.
4. Steuerliche Einordnung: Kein Werk, kein Vorteil?
Wer glaubt, dass urheberrechtlich schutzlose KI-Musik auch steuerlich irrelevant sei, irrt. Die steuerliche Betrachtung unterscheidet sich deutlich vom Urheberrecht und knüpft primär an die wirtschaftliche Verwertung an. Genau hier entstehen für Künstler, Produzenten und Plattformen erhebliche Risiken.
a. Umsatzsteuer: Kein Urheber, kein ermäßigter Steuersatz
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz (7 %) nur für Lieferungen von Kunstgegenständen, wenn diese durch den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger erfolgen. Der BFH (Urt. v. 18.10.2023 – XI R 15/20, BFHE 282, 170) stellte klar: Eine KI ist kein Urheber – und deren Ergebnisse können nicht „wie Werke“ behandelt werden. Das bedeutet:
- Wer KI-Musik verkauft, muss grundsätzlich den vollen Umsatzsteuersatz (19 %) anwenden.
- Selbst wenn der Inhalt als „künstlerisch“ erscheint, fehlt es an der gesetzlich geforderten Urheberschaft.
b. § 18 EStG: Gewerblich oder freiberuflich?
Freiberufliche Künstler genießen steuerlich Vorteile gegenüber Gewerbetreibenden – z. B. keine Gewerbesteuerpflicht. Doch § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt eine persönliche, schöpferische Leistung voraus. Wird aber KI zur wesentlichen Kreativinstanz, droht die Umqualifizierung in einen Gewerbebetrieb – mit folgenden Folgen:
- Gewerbesteuerpflicht
- Pflicht zur Bilanzierung bei Überschreiten der Umsatzgrenze
- Verlust des Status „freier Beruf“ mit Auswirkungen auf Künstlersozialkasse und Förderfähigkeit
c. Künstlersozialabgabe: Wer ist Verwerter – auch bei KI?
Die Künstlersozialabgabe (§§ 24 ff. KSVG) greift, wenn künstlerische Leistungen durch Selbstständige erbracht und regelmäßig beauftragt oder verwertet werden. Doch was passiert, wenn eine KI die Leistung erstellt, aber auf menschlichem Material basiert (z. B. Stimme, Stil)? Nach Rechtsprechung des BSG (SozR 3-5425 § 25 Nr. 9) ist dann entscheidend, ob die schöpferische Leistung von einem Menschen ausgeht. Wenn also echte Stimmen in der KI vorkommen, kann trotzdem eine Abgabepflicht entstehen – z. B. für Labels oder Plattformen.
d. Verwertung ohne Besteuerung? Vorsicht Steuerhinterziehung
Einnahmen aus KI-generierten Produkten, die bewusst als „nicht steuerbar“ oder „gemeinfrei“ behandelt werden, unterliegen dennoch der Besteuerung. Wer diese Einnahmen verschweigt oder falsch deklariert (z. B. zu niedrigem Steuersatz), riskiert eine Verwirklichung von § 370 AO (Steuerhinterziehung). Dies betrifft insbesondere:
- Plattformbetreiber, die KI-Stimmen monetarisieren, ohne sie zu erfassen
- Produzenten, die Einnahmen aus synthetischer Musik nicht als steuerpflichtig behandeln
e. Fazit: Steuerrecht schützt keine Mythen
- KI-Ausdrucksformen sind wirtschaftlich verwertbar – und daher steuerlich relevant.
- Weder die „Gemeinfreiheit“ noch das Fehlen eines Urhebers schützt vor Abgabepflichten.
- Künstler und Labels brauchen steuerlich belastbare Strukturen – sonst droht § 370 AO.
5. Was Künstler, Agenten und Plattformen jetzt tun müssen
Die Analyse zeigt: Wer KI-Stimmen und synthetisch erzeugte Musik einsetzt oder verwertet, bewegt sich in einem komplexen Geflecht aus Urheberrecht, Leistungsschutz, Vertragsrecht und Steuerpflichten. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken sind real – und steigen mit jedem KI-Release. Hier sind fünf zentrale Handlungsempfehlungen für die Praxis:
a. Vertragsklarheit schaffen
Jede Künstlervereinbarung sollte klare Regelungen enthalten zu:
- Stimmverwendung (analog, digital, synthetisch)
- KI-Trainingsmaterial und Stilimitationen
- Verbot oder Lizenzierung synthetischer Derivate
Solche Klauseln lassen sich zivilrechtlich und strategisch wirksam gestalten. Mehr dazu unter Recht & Risiko – Verträge.
b. Stimmrechte aktiv schützen
Die Stimme ist rechtlich mehr als Klang – sie ist ein geschützter Persönlichkeitsausdruck. Künstler:innen sollten sich gezielt gegen unautorisierte KI-Imitationen absichern. Informationen zu rechtlichen Schutzinstrumenten bietet unser Beitrag zu Persönlichkeitsrecht & Mediennutzung.
c. Steuerliche Risiken prüfen
Insbesondere Produzenten, Plattformbetreiber und Verwerter sollten:
- Umsatzsteuerliche Einordnung prüfen (§ 12 UStG)
- freiberufliche vs. gewerbliche Tätigkeiten abgrenzen (§ 18 EStG)
- Erklärungspflichten und KSA-Relevanz beachten
Unsere Praxisinformationen zu Steuerfragen im Kreativbereich finden Sie unter Recht & Risiko – Steuerrecht.
d. Plattformverantwortung ernst nehmen
Auch Plattformen und Aggregatoren sind verantwortlich, wenn KI-Stimmen ohne Rechtsgrundlage veröffentlicht oder monetarisiert werden. Betreiber haften bei unterlassener Prüfung – oft auch zivil- und steuerrechtlich. Mehr zu Plattformpflichten hier.
e. Strategisch vorsorgen – nicht nur reagieren
Rechtsdurchsetzung gegen KI-Nutzung funktioniert – aber nur, wenn Rechte aktiv gesichert und vertraglich kontrolliert sind. Das gilt sowohl für Künstler:innen als auch für Rechteinhaber, Agenturen und Studios.
Call to Action
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